Ein Überblick
Erhalten Sie einen groben Überblick über die fünftgrößte Religion der Welt.
DIE SIKHI
Die Sikhi, im Westen fälschlicherweise als Sikhismus bekannt, ist eine eigenständige und unabhängige Religion, die ihren Ursprung in Nordindien findet. Die Anhänger dieser Religionsgemeinschaft werden Sikhs genannt. Das Wort Sikh findet seinen Ursprung im Sanskrit und bedeutet im Sikhi-Kontext lebenslanger, erkenntnisorientierter, spiritueller Schüler. Sie lassen sich anhand des Turbans (Punj. Dastar) erkennen. Lesen Sie hier mehr über die Sikh-Identität und die Bedeutung der ungeschnittenen Haare.
Der Grundstein der Sikhi wurde im 15. Jahrhundert von Guru Nanak Dev Ji (1469-1539) in der Region Punjab (Nordindien) gelegt und wurde über eine gesamte Zeitspanne von 239 Jahren von neun Nachfolgern im 16. und 17. Jahrhundert mit geprägt. Die Lehren der Gurus wurden in der heiligen Schrift, dem Guru Granth Sahib Ji festgehalten. Diese Schrift ist in jeder Gebetsstätte, auch Gurduara genannt, in Form eines Buches zu finden. Der zentrale Gedanke der Lehren ist dabei sein eignes Ego zu überwinden und dadurch ein harmonisches Zusammenleben mit allen Menschen zu erreichen. Heute ist die Sikhi mit ihren 30 Millionen Anhängern die fünftgrößte Religionsgemeinschaft der Welt. Davon leben über 30.000 Sikhs in Deutschland.
Im Folgenden wird ein kleiner Überblick über die Lebensweise und Prinzipien der Sikhs gegeben:
RELIGIÖSE ÜBERZEUGUNG
Sikhi bedeutet die spirituelle und geistige Lehre der Seele, welche die Gleichheit aller Menschen betont und die Kastenzugehörigkeit ablehnt. In der gesamten Lehre der Sikhi geht es nicht nur um theologische Konzepte über Gott. Sie motiviert die Suchenden dazu, den Ursprung von Allem in sich selbst zu finden. Sikhs glauben an einen Schöpfergott, der jedoch nicht ausschließlich außerhalb seiner Schöpfung existiert. Er residiert auch innerhalb der Schöpfung, in jedem Lebewesen.
ਘਟਿ ਘਟਿ ਮੈ ਹਰਿ ਜੂ ਬਸੈ ਸੰਤਨ ਕਹਿਓ ਪੁਕਾਰਿ ॥
Der Herr residiert in jedem Herzen, die Heiligen verkünden dies als wahr.
Seite 1427 – Guru Granth Sahib Ji
Die Sikhi lehnt das klassische Zölibat/die Ehelosigkeit ab und fordert stattdessen die aktive Einbindung der Religion sowie dessen Lehren in den Alltag. In der Umsetzung bedeutet dies, dass ein Sikh neben der Ausübung einer konventionellen Tätigkeit auch in Form von Meditation und dem Rezitieren der religiösen Schriften, als auch gesellschaftlichen Zivildienst leistet. Aus diesem Grund wird die Sikhi von den Anhängern nicht als Religion, sondern als ein Lebensweg angesehen. Der zentrale Aspekt der Sikhi ist, die Förderung einer geistlichen Entwicklung und spirituellen Aufklärung, um somit den seelischen Ursprung noch zu Lebzeiten zu erfahren.
Die Sikhi ist eine eigenständig anerkannte Weltreligion mit einer eigenen Geschichte, eigenen Traditionen und heiligen Schriften. Lesen Sie hier mehr über die Eigenständigkeit der Sikhi.
GRUNDSÄTZE DER SIKHI
- Allgegenwart des Einen Schöpfers
- Ein gemeinsamer Ursprung aller Lebewesen
- Selbsterkenntnis durch spirituelle Aufklärung
- Andacht an Gott mit jedem Atemzug (Simran)
- Gott ist zugänglich für alle Menschen
- Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Gemeinwohl
Wichtig ist:
- Spirituelle und geistige Entwicklung
- Bescheidene und selbstlose Lebensführung
- Aktive Einbringung in der Gesellschaft durch das Leisten von Zivildienst etc.
- Gleichberechtigung aller Menschen
- Religionsfreiheit
- Respektvoller Umgang mit der Umwelt
Ablehnung von:
- Aberglauben und sinnlosen Ritualen/Praktiken
- Heuchelei und religiösem Fanatismus
- Personenkult im Namen von Religion
- Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art
- Rücksichtslosigkeit gegenüber Mitmenschen
- Der Unterdrückung der Frau und dem Kastensystem
- Drogenkonsum und anderen Stoffen, die das Bewusstsein und dem Körper schädigen
DER GURDUARA
Das Wort Gurduara setzt sich aus dem Wort „Guru“ (Sanskrit für Meister/Erleuchteter) und „Duara“ (Sanskrit für Tor/Durchgang) zusammen. Somit lässt es sich mit das Tor zum Guru übersetzen. Vor der Prägung des Begriffes wurden die Orte, wo man sich für die seelische Entwicklung und zum Meditieren versammelte, Dharamsaal gennant.
Der Gurduara ist eine spirituelle Schulstätte für das Erlernen der Weisheiten und Lehren aus den heiligen Schriften, der Gurbani, zusammengestellt in Form des Guru Granth Sahib Ji. Weltweit werden alle Gurduaras durch Spenden der Besucher finanziert und jeder beteiligt sich ehrenamtlich am Tagesgeschehen. Viele Gurduaras verfügen über Bibliotheken, um über die Sikh-Geschichte zu informieren und über Klassenräume für Gurmukhi-Sprachkurse. Ebenfalls werden internationale Jugendcamps organisiert, um die Jugend über die Sikhi zu inspirieren. Alle Gurduaras weltweit stehen allen Menschen offen – unabhängig von Geschlecht, Alter, Sexualität oder Religion – und sind im Allgemeinen rund um die Uhr geöffnet. Ein Gurduara fungiert ebenfalls als Unterkunft, bietet Speisen für Reisende & weniger Wohlhabende und bietet somit einen Zufluchtsort für Bedürftige.
In Form des Kirtans werden die Sikh-Schriften, die Gurbani, von den Anwesenden in Begleitung von musikalischen Instrumenten gemeinsam gesungen. Von hohen Gelehrten werden die Bedeutungen der Gurbani erläutert und es wird erklärt, welche Relevanz diese auch in der heutigen Zeit haben.
Das Erkennungszeichen eines Gurduaras ist das Nishan (Zeichen) Sahib. Es handelt sich dabei um eine safranfarbene dreieckige Flagge auf einem hohen Masst mit dem Khanda, dem Symbol der Khalsa-Gemeinschaft. Diese wird auf dem Grundstück des Gurduaras hoch angebracht, damit der Gurduara auch von Weitem zu sehen ist. Beim Betreten eines Gurduaras ist es erforderlich, die Schuhe auszuziehen und den Kopf zu Bedecken.
Die Küche wird von freiwilligen Helfern (Punj. Sewadar) betrieben. In der traditionellen indischen Gesellschaft wurden Menschen mit hoher und niedriger Kaste stark getrennt. Um dieses soziale Problem zu bekämpfen, erfordert die Sikh-Gemeinschaftsküche (Langar), dass alle nebeneinander sitzen und zusammen essen, wodurch das Konzept der Gleichheit gelehrt wird, indem alle Barrieren der Kasten und Klassen durchbrochen werden. Im Speisesaal darf jede Person unabhängig von Religions- und Kastenzugehörigkeit die zubereitete Mahlzeit (Punj. Langar) zu sich nehmen. Allein im Harmandir Sahib werden täglich über 100.000 Menschen mit Mahlzeiten versorgt.
Für weitere Informationen möchten wir Sie auf unseren kurzen Dokumentarfilm Die Sikhs stellen sich vor hinweisen.
SIKHS IN DEUTSCHLAND
Die erste Einwanderergeneration der Sikhs hatte Anfang der 70er Jahre wenig Ressourcen. Sprachbarrieren, ungeklärte Aufenthaltssituationen und mehrschichtige Arbeitszeiten machten das Einleben in der neuen Heimat schwer und die Aufklärung über die Sikh-Gemeinde nahezu unmöglich. Sikhs sind zwar seit mehr als 60 Jahren in Deutschland ansässig, in der Mehrheitsgesellschaft bisher aber nicht sehr bekannt, was auch mit der geringen Verbreitung (ca. 30.000 Anhängern) in Deutschland zusammenhängt.
Dennoch ist in jeder Großstadt ein Gurduara zu finden, welches auch rund um die Uhr geöffnet ist. Ein Liste von aktuellen Gurduaras in Deutschland lässt sich unter dem folgenden Link (in Bearbeitung) finden. Je nach Gurduara versammeln sich am Samstag oder Sonntag die Anhänger der Sikhi sowie weitere interessierte Besucher in den Gurduaras und singen dabei gemeinsam um die Mittagszeit herum religiöse Hymnen und Gebete.
Im Alltag werden Sikhs immer wieder mit Rassismus konfrontiert. So gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle bei denen die Schulen gefordert haben, dass Sikh-Kinder ihre Kopfbedeckung, welche ein Teil der religiösen Praxis ist, abzunehmen. Auch beim Bewerbungsprozess haben Anhänger aufgrund ihrer äußerlichen Erscheinung mit Vorurteilen zu kämpfen. Auch von Hassbotschaften bleiben die Sikhs auch nicht verschont. Konfrontiert werden sie z.B. durch rassistische Sprüche an den Aussenwänden der Gurduaras und Mobbingfälle in Kindergärten und Schulen. Ein besonders tragisches Ereignis war der Bombenanschlag auf einen Essener Gurduara im April 2016.
Diskriminierungs- und Mobbingfälle sind in der Regel auf die Unwissenheit über die Sikhi im deutschsprachigen Raum zurückzuführen. Aus diesem Grund wurde 2013 der Sikhverband gegründet, um Aufklärungsarbeit im deutschsprachigen Raum zu betrieben. Ziel der Aufklärungsarbeit ist es Vorurteile abzubauen, die kulturellen Hürden zu überwinden und ein harmonisches Zusammenleben zu fördern.
Lesen sie hier mehr über die Aufgaben und Vision des Sikhverbandes.